Vom 11.11.2025-13.11.2025 hat eine 15-köpfige Delegation Thüringer LEADER Akteure in Brüssel Gespräche über die Zukunft der Förderung im ländlichen Raum geführt und einen Einblick in die komplexen Strukturen des Europäischen Parlaments und der Kommission erhalten. Von der RAG Sömmerda-Erfurt waren der RAG-Vorsitzende Herr Henning und der LEADER-Manager Herr Ruge mit dabei.
Die Zusammensetzung der Delegation bildete die Vielfalt des Engagements der Thüringer LEADER-Regionen im ländlichen Raum gut ab. Die Teilnehmenden kamen aus den drei Ostthüringer Saale-Regionen -von hier ging auch die Initiative für die Fahrt aus- sowie aus den Regionen Sömmerda-Erfurt und Wartburgregion (Regionen der Vertreter im Thüringer LEADER-Sprecherrat). Mit dabei waren auch die BAGLAG-Vorstandsvertreterin aus dem Altenburger Land und eine Vertreterin aus dem TMWLLR.
Nachdem die Europäische Kommission Mitte Juli ihren Entwurf für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028-2034 vorgestellt hatte, gab es massive Proteste und die Ankündigung einer grundsätzlichen Ablehnung aus dem Parlament. Am 10.11.2025 hatte die Kommissionspräsidentin daraufhin Änderungsvorschläge präsentiert, die unter anderem eine Zielvorgabe für die Förderung ländlicher Räume ("Rural Target") enthält. Was sich mit der Formulierung "10%-Zielvorgabe für die Förderung ländlicher Räume" gut anhört, erwies sich auf konkrete Nachfrage in den Gesprächen in Brüssel als kaum geeignet, um als positives Signal für LEADER und andere Programme, wie z.B. die Dorfentwicklung, gewertet zu werden.
Rund 44% der Mittel des MFR sollen für "National-regionale Partnerschaften" eingesetzt werden. 10% der freien Mittel in diesem Fonds, abzüglich der Mittel, die für besonders benachteiligte Gebiete (zu denen Thüringen nicht gehört) vorgesehen sind, sollen nach dem Änderungsvorschlag von Ursula von der Leyen nun für regional-territoriale Ansätze verwendet werden. Brüssel wird dementsprechend der Forderung nach Vereinfachung gerecht, indem kaum Vorgaben für die Verwendung der Mittel gemacht werden. So können LEADER, aber auch andere im ländlichen Raum wirksame Förderprogramme, wie z.B. Dorfentwicklung und Revitalisierung, zur Anwendung kommen, müssen aber nicht. Entscheidend ist lediglich, dass die Mittel bei Zuwendungsempfängern im ländlichen Raum ankommen. Bei wem genau und über welchen Kanal, ist für Brüssel nicht entscheidend. Auch die Erhöhung von Direktzahlungen an die Landwirtschaft würden dieses Ziel abdecken. In der Tat würde das schlichte Streichen von Förderprogrammen zu weniger Bürokratie führen. Die Europäische Union gibt mit weitreichenden Folgen Steuerungsmöglichkeiten auf und verlagert wichtige förderpolitische Entscheidungen auf die nationale Ebene.
Neben dem politischen Willen werden speziell für LEADER auch andere Rahmenbedingungen entscheidend sein: der Umfang der für den ländlichen Raum verfügbaren Mittel wird insgesamt deutlich kleiner und der derzeit vom Land Thüringen getragene Anteil der Kofinanzierung wird höher sein müssen. Bisher war LEADER auch deshalb interessant, weil die Förderung zu 80% aus EU-Mitteln abgedeckt war. Zukünftig stehen hier 60% oder gar 40% im Raum.
In Brüssel wurde deutlich, dass LEADER ab 2028 auf keinen Fall weiter wie bisher, nur mit weniger Mitteln laufen wird. Ohne die Sicherstellung einer finanziellen Grundausstattung sind die bestehenden Strukturen und der flächendeckende Ansatz in Thüringen in Frage gestellt.
Es muss dementsprechend weiter daran gearbeitet werden, die Bedeutung von LEADER für die Stärkung der Demokratie und als Bekenntnis zu Europa für die Entscheidungsträger in Brüssel, Berlin und Erfurt greifbar zu machen. LEADER ist nicht einfach ein Förderprogramm, sondern eine Methode, die es den Menschen in ländlichen Räumen ermöglicht, selbst wirksam zu werden. Eine Investition in das Sozialkapital, die sich schwer in Zahlen und Wirtschaftskraft abbilden lässt.
Die Delegation aus Thüringen hat noch vor Ort in Brüssel beraten, welche konkreten nächsten Schritte unternommen werden, um im Schulterschluss mit der BAGLAG und wichtigen Akteuren im ländlichen Raum weiter darum zu kämpfen, dass es einen vorgegebenen Budgetansatz für LEADER geben wird.
LEADER, in der Welt der RAG-Akteure in Thüringen existenziell, ist im Universum des Haushaltes der Europäischen Union offensichtlich nicht relevant. Zu den Ergebnissen der Reise gehört demgegenüber auch eine Fülle an positiven Eindrücken: die Bereitschaft und Offenheit aller Gesprächspartner, die Impressionen aus dem Europäischen Parlament, die Eindrücke vom kosmopolitischen Brüssel und der Austausch untereinander im Netzwerk der Thüringer LEADER-Familie.
Herzlichen Dank an Sören Kube von der RAG Saale-Orla für die Idee und Organisation der Reise! Großes Lob und Dank an Sven Bermig von der Thüringer Landesvertretung, der dabei geholfen hat, die Kontakte zu den gewünschten Gesprächspartnern zu vermitteln. Ein Großteil der Gespräche fanden in den Räumlichkeiten der Landesvertretung statt. Sven Bermig hat die Thüringer Delegation über die gesamte Zeit in Brüssel begleitet.
Mit folgenden Personen konnten wir in Brüssel Gespräche führen: